Konzentration auf nur ein einziges Ziel: Luxus oder Notwendigkeit?

Beitrag #1: Meine Erfahrungen und Reflexionen nach der RORC Transatlantik Regatta an Bord der VO65 „Sisi“

Mit meiner Buchung am 24. November 2021 war zwar mein Platz auf Sisi reserviert und die Rennteilnahme registriert, jedoch musste ich in all der COVID-19 Verwirrung und den Vorbereitungen für Weinhachten und Jahresende auch sicherstellen, dass ich zeitgerecht und vor allem gesund beim Boot eintreffen würde. Somit gab es ab dann für mich nur noch ein einziges großes Ziel:

Erfolgreicher Antritt der Royal Ocean Racing Club (RORC) Transatlantik Regatta

Die Definition von Erfolg setzte sich in diesem Fall wie folgt zusammen:

Alleine diese vier Punkte zu erreichen war eine erste Herausforderung: Die Lieferzeiten  von Sportkleidung (also Ölzeug etc.) waren vollkommen unvorhersehbar. 6 Wochen Zeit um nach Lock-Downs wieder Kondition und Kraft aufzubauen verlangte viel Nachsicht von meiner Familie, da ich von nun an zu Hause trainierte. Die Reiseorganisation war spannend bis zum Schluss nachdem ständig Flüge verschoben oder gestrichen wurden. Und zu Zeiten von Omicron PCR-negativ zu bleiben war ein zusätzlich spannender Punkt. Also alles gar nicht so einfach: CHALLENGE ACCEPTED!

Hauptstrategie: streng fokussierte Vorbereitung ohne Abstriche!

Die Konsequenz der Fokussierung auf nur ein Ziel

Wir alle haben eine bestimmte Bandbreite an Leistungsfähigkeit. Resourcen sind in der Regel beschränkt und so gilt es auszuwählen, was wirklich wichtig ist. Die Entscheidung für die Verfolgung eines Ziels führt automatisch zur Abwendung von einem alternativen Ziel. Das macht es auch manchmal so schwierig die „richtige“ Entscheidung zu treffen. Ich habe mich entschlossen während dieser Phase alle Anstrengungen auf die Vorbereitungen zur Regattateilnahme zu fokussieren. Also wirklich nur ein Ziel. So konnte ich eine Vielzahl von Aufgaben konzentriert und in kurzem zeitlichen Rahmen abarbeiten. Ohne strikten Fokus hätte das Risiko bestanden zu scheitern. Die Unterstützung durch meine Familie und Freunde war hier eine enorme Stütze. Ohne deren Beitrag und Verständnis für mein Vorgehen, wäre es sehr schwierig gewesen meine Vorbereitungen erfolgreich abzuschließen. 

 

Wie ich herausfand, war ich nicht der Einzige, der mit solcher Konsequenz daran arbeitete sicher und gesund am Dock von Sisi anzukommen. Es gab sogar einen Mitfahrer, der sich bereits Wochen zuvor in einem Hotel in freiwillige Quarantäne begeben hatte. Für ihn barg eine mögliche COVID-19 Erkrankung das größte Risiko seine Teilnahme zu vereiteln und er setzte alles daran eine Infektion mit SARS-CoV-2 zu vermeiden. 

Ich hatte mich zwar nicht in einem Hotelzimmer verbarikadiert, aber die Flugreise stellte schon einen besonderen Risikofaktor dar. Daher nahm ich während meiner Anreise die  FFP-2 Maske nicht ab, vermied es Mitreisenden näher zu kommen wo immer möglich und ich aß und trank nicht im Flugzeug. Nach der Ankunft in Lanzarote unternahm ich weiterhin alles, um ja nicht in die Nähe von möglicher Weise infizierten Personen zu kommen. Wiederum kasernierten sich manche Mitfahrer in ihren Hotelzimmern ein und suchten erst den Kontakt mit der größeren Gruppe nachdem wir alle ein negatives Testergebnis in der Hand hielten.

Ein anderer Kollege stand vor der Herausforderung, dass sein 5-jähriger Sohn just am Tag vor dem Start der Regatta Geburtstag feierte. Kurzerhand nahm er die Familie mit nach Lanzarote, um so beide Ziele zu erreichen. Zu seinem Pech waren die Kinder symptomlos an COVID-19 erkrankt und sie hatten das Virus auf ihn übertragen. Sein PCR Test vorort fiel positiv aus und er konnte nicht an Bord kommen. Ich bewunderte seine Einstellung seinen Aufenthalt zu einem „Familienurlaub“ umzuwandeln. So wurde wenigstens die Quarantäne erträglicher. Das Hauptziel – die Teilnahme am Rennen – hatte er jedoch verpasst. 

Halsen mit dem A4 Gennaker
60 Meter Schot müssen angeholt werden

Letztendlich blieben von 14 angemeldeten Crew-Mitgliedern 12 übrig. Ein weiterer Segler stornierte seine Reise erst einen Tag vor dem Rennstart, nachdem er die Nachricht erhalten hatte, dass sowohl seine Frau als auch sein Sohn erstzunehmend an COVID-19 erkrankt waren. Die noch sehr junge Tochter war nahezu unversorgt und er faßte den Entschluss sich in so einer Situation nicht auf eine Atlantiküberquerung einzulassen, sondern seine Familie zu Hause zu unterstützen. Auch er hatte sich ausgezeichnet und sehr fokussiert vorbereitet. Trotzdem behielt er sich diese Flexiblität natürlich vor. Ein großes Ziel zu verfolgen, dachte ich mir, heißt also nicht nur verbissen festzuhalten, sondern trotzdem immer im Auge zu behalten, was sinnvoll und richtig ist.

Reflexion

Nur ein großes Ziel vor Augen zu haben mag als Luxus erscheinen. Wenn es jedoch um entscheidende Projekte, Schritte oder Vorhaben geht, so habe ich für mich festgelegt, dass voller Fokus auf die Zielerreichung mehr als gerechtfertigt ist. 

Neben der Auswahl des richtigen Ziels spielt die saubere Definition des Erfolgs eine wichtige Rolle. Die konsequente Abwendung von Alternativen und weiteren Zielen, sowie die Sicherstellung der notwendigen Resourcen sind zusätzliche Erfolgsfaktoren. Entschiedene Zielarbeit ist ein weiterer Baustein zur Zielerreichung. Flexibiltät braucht es bis zum Schluß!

Im kommenden Beitrag analysiere ich unser erstes Crew-Meeting an Bord von Sisi, die Vorstellungsrunde und was mir beim ersten Eindruck durch den Kopf ging.

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