- Jänner 31, 2022
- Allgemein, Developing Leaders, Teamentwicklung
Erste Vorstellungsrunde an Bord von Sisi
Beitrag #2: Erste Eindrücke und die vielen Informationen die man sammeln kann, wenn man weiß worauf man achten muss!

Eine erste Vorstellungsrunde mit neuen Teammitgliedern liefert eine Vielzahl an wertvollen Informationen. In diesem Beitrag erfährst Du anhand unseres ersten Meetings wie es an Bord von Sisi gelaufen ist und wie Du das Meiste aus so einem Meeting heraus holen kannst!
5. Jänner 2022, 11.00 Uhr: Boatcall in der Marina Puerto Calero
Natürlich war ich viel zu früh dran. Zu spät zu kommen hätte mir Stress gemacht und so konnte mich nichts mehr im Hotelzimmer halten. Ich wollte endlich an Bord, die anderen Teammitglieder kennen lernen. Außerdem wollte ich wissen, wo und wie ich mein Gepäck verstauen konnte, worauf ich mich eventuell noch vorbereiten musste und vor allem wie denn die Stimmung ganz allgemein war. Die Gedanken kreisten im Kopf: Werde ich in die Gruppe passen? Werde ich akzeptiert? Wird es Teammitglieder geben, die so gar nicht zu mir passen? Was wird mein Platz sein? Insgesamt beobachtete ich eine Unsicherheit in mir, die ich schon lange nicht mehr gespürt hatte. Genau darum war ich hier!


Gerwin – unser Skipper – übernahm ruhig, freundlich und bestimmt die Moderation
„Herzlich Willkommen an Bord! Ich möchte gerne von jedem wissen ob er schon einmal über den Atlantik gesegelt ist und welche Erwartungen jeder hat. Dann kann ich Euch im Anschluss sagen, ob die Erwartungen gerechtfertigt sind und welche wir nicht erfüllen werden können.“ Nun konnte man aus diesem Satz hören, was zu tun war – und Ende. Es gab aber noch viel mehr an Informationen zu erfassen:
- Der Skipper hatte sich in der Mitte vor dem Niedergang platziert. So, dass ihn alle gut sehen konnten und auch er ein freies Blickfeld auf die Gruppe hatte.
- Es war sonnenklar, wer hier für's Erste das Kommando übernommen hatte. Die Stammcrew unterstütze Ihren Chef durch Disziplin und Präsenz.
- Gerwin hatte der Aufgabe eine klare und effiziente Struktur gegeben.
Obwohl nur relativ wenige Worte gefallen waren, hatte ich schon erste Eindrücke gewonnen. Es beruhigte mich, dass jemand so klar die Führung übernommen hatte, denn das gab mir Sicherheit. Ich hatte auch eindeutige Anweisungen erhalten, was von mir erwartet wurde. Konkret sollte ich meine Erfahrung darlegen und Erwartungen teilen. Nach und nach brachten alle ihre Beiträge ein und ich bemühte mich nicht nur auf das Gesagte zu achten, sondern die gesamte Fülle an Informationen zu erfassen:
- Welche Körperhaltung nahmen die Sprecher jeweils ein? Wie klang Ihre Sprache? - Laut? Selbstsicher? Klar?
- Welche Ausdürcke wurden verwendet: Bilder/Metaphern? War die Sprache präzise, kurz gefasst? Ging es um das Große - Ganze, oder sprangen manche sofort in Details?
- Welche Themen wurden angesprochen? War die Wortmeldung strukturiert oder eine Kette von scheinbar zufällig aneinander gereihten Sätzen?
- Wer stach heraus? Wer waren die Außenseiter, wer schwamm in der Masse?

„Ich weiß, ich werde immer übersehen….“
Ich verarbeitete meine Eindrücke und legte fest wie ich mit den einzelnen Personen die erste Kommunikation anlegen wollte. Ich wollte meine ersten Eindrücke testen und kalibrieren. Mein Ziel war es, das Teambuildung möglichst gut zu unterstützen. Da hörte ich „…warte, warte. Wir haben jemanden übergangen. Bitte einen Schritt zurück.“ Gerwin hatte eine Wortmeldung unterbrochen, denn ein Crewmitglied wurde vergessen. „Kein Problem!“, tönte es von jemandem, der wirklich fast unsichtbar in einer kleinen Nische am Boden kauerte, „mir passiert das dauernd“. Nun waren alle Augen auf eine freundlich lächelnde Person an Backbord gerichtet. „Und es ist auch kein Wunder. Sitze ich doch meistens unter Deck, im Finsteren und schaue in meine Daten, mache Berechnungen und entwickle Szenarien. Ihr bekommt mich vor allem dann zu sehen, wenn ich Euch die Fahrtrichtung ansage, oder Euch vor Wetteränderungen oder Schiffen warne.“
Endlich ein Ausreißer, dachte ich mir. Zuvor war es in den Wortmeldungen um Spaß gegangen, neue Erfahrungen und darum im Wettkampf zu bestehen. Hier hatte ich jemanden gehört, der detailgenau, im Hintergrund, mit vielen berechneten Szenarien im Kopf die Fäden zog.
Es gab noch andere Beispiele von Crew-Mitgliedern, die aus dem Gros der Wortmeldungen herausstachen. Zum Beispiel weil sie Gefühle ansprachen, das Wohl der Gruppe, Fürsorge. Oder wiederum andere, die sehr kurz und fast stichwortartig in ihrer Vorstellung waren.
Was uns aber alle verband, was wir alle wollten und warum wir hier waren, das war die Regatta über den Atlantik. Ja, wir wollten sicher ankommen. Das war oberste Priorität. Wir wollten aber auch gewinnen, wollten Spaß haben, wollten uns messen und wollten bestehen. Heute waren wir noch eine Gruppe von bunt zusammengewürfelten Menschen. Bald sollten wir aber zu einem Team werden. Wie das ablief gibt es in den nächsten Beiträgen zu lesen.

Reflexion
Das erste Zusammentreffen eines neuen Teams ist von grundlegender Bedeutung. Gerne wird vom ersten Eindruck gesprochen. Ich möchte das aber nicht überbewerten. Aus meiner Sicht ist es der Beginn eines Prozesses. Versteht eine Führungskraft diese Phase des Team-Buildings aktiv zu gestalten, so können Unsicherheiten rasch beseitigt werden. Es kommt zu ersten Positionierungen („Norming/Storming“-Phase) und das Team kann beginnen zusammen zu wachsen („Performing“-Phase). Nicht zu führen geht nicht. Die Teamdynamik läuft ab, egal ob man sie bewusst gestaltet oder nicht. Als Führungskraft sollte man seine Aufgabe wahrnehmen, diese ersten Schritte positiv beeinflussen und so rasch zu einem tragfähigen Teamaufbau zu kommen.
Praktische Tools sind eben erste Meetings mit Vorstellungsrunden. Fragen nach Erfahrung, Zielen, Erwartungen eignen sich perfekt. Was Teammitglieder rasch miteinander verbindet sind Gemeinsamkeiten, einerseits ausgedrückt durch gemeinsame Ziele, Werte oder Tätigkeiten. Geteilte Hürden, oder auch Schwächen, machen uns menschlich und angreifbar. Daher eignen sich beim Teambuilding Aktivitäten bei denen (lustige) Geschichten von Fehlern, Unsicherheiten oder Versäumnissen erzählt werden. Aber natürlich auch Erlebnisse als Gruppe stärken Zusammenhalt, Verständnis und Vertrauen.
Im Text habe ich durch Beispiele veranschaulicht, welche Fülle an Informationen es zu verarbeiten gibt, um die Sprache der Gruppe zu sprechen und auf einzelne besser zugehen zu können. Je besser man geübt ist, desto leichter fällt es und desto mehr kann man aus solchen Interaktionen herausholen. Es gibt zahlreiche Instrumente, die es erlauben diese Analysen zu machen. Ich verwende HBDI, weil ich es sehr praktikabel finde und damit gut vertraut bin. Mehr zum Tool habe ich hier zusammengefasst.
Abschließend noch ein Satz zu meinem Vorgehen: Ich bin ein analytischer und logisch strukturierter Mensch. Daher bin ich auch so vorgegangen, wie oben beschrieben. Hat jemand andere Denkpräferenzen, so wird vielleicht eher die Emotion im Vordergrund stehen, oder die Frage: „Mit wem hier kann ich gewinnen?“. Ich will damit nur sagen, dass auch ich meinen Präferenzen gefolgt bin. Ich habe mich auch sehr bewusst dafür entschieden. So schaffe ich mir Handlungsspielraum. In diesem Fall nicht als Führungskraft, sondern als Teammitglied.